Eine Rezension von Richard Tarnas's
"The Transformation of the Cosmos"

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Übersetzt aus dem Englischen von Klaus Scharff

Richard Tarnas zeigt warum die philosophischen, psychologischen,
sozialen und wirtschaftlichen Probleme unserer Zeit
tief mit unserer wissenschaftlichen Weltsicht verbunden sind.

Richard Tarnas's Buch Cosmos and Psyche (2006) hat acht Teile.
Die hier von Peter Meyer gegebenen Anmerkungen beziehen sich nur
auf den ersten Teil mit dem Titel: "The Transformation of the Cosmos".
.


Das moderne wissenschaftliche Weltbild hat seine historischen Wurzeln in der Kopernikanischen Revolution vor ungefähr 500 Jahren, als Kepler und Galilei erstmals mit dieser neuen Weltsicht in die Öffentlichkeit traten. Bis ungefähr in die Mitte des 17.Jahrhunderts lebten die Menschen in einer Welt, in der die Erde der Mittelpunkt des Kosmos war. Es war ein Kosmos, in dem sie selbst vollständig eingebettet waren und der über bedeutungsvollen Zeichen des Himmels und auch woanders mit ihnen sprach.

In dem Abschnitt mit dem Titel "The Dawn of a New Universe" lenkt Richard Tarnas unsere Aufmerksamkeit auf die
atemberaubende Erfahrung ... [der] frühsten wissenschaftlichen Revolutionäre des modernen Zeitalters ... als sie anfingen, die außergewöhnliche Wahrheit der heliozentrischen Theorie zu begreifen. Diesem Gefühl eines kosmischen Aufruhrs und Wunders Ausdruck zu verleihen, wäre nahezu unmöglich gewesen. Ein Sichtweise der Erde und ihres Platzes im Universum, die vom menschlichen Bewusstsein über Tausende von Jahren so gut wie nie in Frage gestellt worden war, wurde plötzlich als riesige Illusion erkannt. ...

[Aber] konventionelle Geschichten der wissenschaftlichen Revolution zeigen eine Tendenz gerade den Umfang vollständig zu übersehen, in dem die ursprüngliche Entdeckung mit intensiver spiritueller Bedeutung aufgeladen war. Die frühen wissenschaftlichen Revolutionäre nahmen ihre Durchbrüche als göttliche Illuminationen war, als ein spirituelles Erwachen hin zu wahrer struktureller Großartigkeit und intellektueller Schönheit in der kosmischen Ordnung.

Dieses Staunen und diese Ehrfrucht, begleitet von einer starken Einsicht in die Fähigkeit und das ungenutzte Potential der menschlichen Intelligenz und Vernunft, das wahre Wirken des Kosmos zu enthüllen, ist gegenwärtig verloren gegangen. Und das heliozentrische Weltbild des Sonnensystems, in dem die Sonne im Zentrum steht und die Planeten um sie kreisen, ist heute das konventionelle moderne Weltbild.

In dem Abschnitt "Forging the Self, Disenchanting the World" erklärt Tarnas wie die Wahrnehmung einer "umgebenden Naturwelt, durchdrungen mit Sinnhaftigkeit, Sinnhaftigkeit,deren Bedeutung zugleich menschlich und kosmisch ist", in eine Welt transfomiert wurde, die im Wesentlichen als "unpersönlich und unbewusst angesehen wurde. ... [so   dass], welche Schönheit und welchen Wert auch immer das menschliche Wesen im Universum wahrnehmen kann, dieses Universum nur Materie in Bewegung ist, mechanistisch und ohne Sinn, beherrscht von Zufall und Notwendigkeit ... im Großen und Ganzen indifferent in Bezug auf menschliches Bewusstsein und menschliche Werte."

Diese Transformation fand durch eine Verschiebung im Bewusstsein statt, vom "ursprünglichen Bewusstsein", wie Tarnas es nennt, hin zum "modernen Bewusstsein". Das Erstere "geht mit der Welt um, indem es sie mehr als ein Subjekt betrachtet, eingebettet in eine Welt von Subjekten, mit keinen absoluten Grenzen dazwischen oder unter ihnen. ... Die ursprüngliche Welt ist gesättigt mit Subjektivität, Innerlichkeit, intrinsischen Bedeutungen und Zwecken". Im Gegensatz dazu "befasst sich das moderne Bewusstsein mit der Welt, indem es sich über eine implizit erfahrbare Struktur als Subjekt erkennt, das als von einem Objekt getrennt aufgefasst wird und in einem gewissen Sinne gegen es gesetzt ist. Die moderne Welt ist voll von Objekten, mit denen das menschliche Bewusstsein konfrontiert ist und mit denen es aus seiner einzigartigen Position der bewussten Autonomie umgeht." Aus der Perspektive des modernen Bewusstsein ist die ursprüngliche Erfahrung das Resultat einer Projektion menschlicher Interessen in eine nicht-menschliche Welt.

Die grundlegende Annahme der modernen Wissenschaft, sagt Tarnas, besteht darin, dass das menschliche Bewusstsein die einzige Quelle von Bedeutung,Wert und Zweck ist und dass diese keinen Platz in der physikalischen Welt haben. Und dass jede Wahrnehmung von ihnen in der physikalischen Welt nur eine Projektion ist, eine Art von Täuschung.

Tarnas führt aus, dass dies nicht gerade zur Zeit der wissenschaftlichen Revolution im 17.Jahrhundert stattfand, sondern seine frühsten Anfänge in der Entwicklung von Sprachen und dem Herstellen von Werkzeugen hatte. Danach "begannen wir uns weiter von der Welt zu differenzieren, unsere Erfahrung in Weisen zu objektivieren, die ausdrücken konnten, wie die Welt mit uns umgeht und wie wir in der Welt handeln."

Aber mit der Akzeptanz der kopernikanischen Sicht auf unser Sonnensystem, war der Weg frei, um den Kosmos so zu sehen, wie wir es heute tun, als eine Leere, die eine unzählbare Anzahl von himmlischen Objekten enthält, die sich auf Bahnen bewegen, die durch Beobachtung und Denken untersucht und verstanden werden können. Der Kosmos hörte auf eine Quelle für Bedeutung zu sein und wurde Objekt von Untersuchung, zusammen mit dem, was dazugehört.

Als sich die moderne Wissenschaft in der Folge der Entdeckungen von Isaac Newton weiter entwickelte, unterschied die Art dieser Untersuchung zunehmend zwischen 'Fakten' und 'Werten'. Fakten waren Beschreibungen der physikalischen Welt — der Welt, die durch die äußeren Sinne wahrnehmbar ist. Dagegen besassen 'Werte' einen menschlichen Ursprung und hatten ihre Quelle im menschlichen Bewusstsein, in der menschlichen Mentalität oder im menschlichen Verstand (obwohl die physikalische Wissenschaft damals nicht wußte, was der Term 'menschliches Bewusstsein' bedeutete oder auf was er sich bezog). 'Fakten' sind für moderne Wissenschaftler 'objektiv' und 'Werte' sind 'subjektiv'. Folge man dem modernen Denken, sagt Tarnas, "dann besitzt die Welt außerhalb des menschlichen Wesens keine Intelligenz, sie besitzt kein Innenleben und keine intrinsische Bedeutung oder einen Zweck. Denn das sind menschliche Realitäten und das moderne Denken glaubt, dass eine Projektion vom Menschlichen auf das Nicht-Menschliche ein grundlegender, epistomologischer Fehler ist."

Die Konsequenz dieses modernen Weltbildes ist eine Welt ohne Bedeutung, ein Kosmos, der einfach eine zufällige Ansammlung von Objekten in einem leeren Raum darstellt. Diese Objekte besitzen Eigenschaften, wie 'Masse', 'Geschwindigkeit' und wechselwirken in mechanischer Weise mit anderen Objekten. Sie haben keine Farbe (da Farbe außerhalb des Bewusstseins nicht existiert), keine Geschichte (dies ist ein menschliches Konstrukt), keinen Wert (ausgenommen im menschlichen Bewusstsein), sie besitzen keine Schönheit und können nicht absichtsvoll handeln. Und Menschen sind, in Übereinstimmung mit der modernen wissenschaftlichen Sichtweise, einfach eine Untermenge dieser Objekte, selbst Objekte, die Qualitäten wie Aufrichtigkeit, Mut oder Integrität nicht haben können. Daraus folgt, dass Menschen wie andere Objekte in der physikalischen Welt behandelt werden können. So können sie ausgebeutet werden, primär für finanziellen Profit, und es ist das was wir so oft und überall sehen, dass viele Menschen, indem ihnen jeglicher Sinn für Moralität abhanden gekommen ist, dies einfach als "business as usual" betrachten.

Tarna's Schrift enthüllt uns, dass das wissenschaftliche Weltbild die Wurzel der modernen psychologischen Krankheit der Entfremdung ist. Wir nehmen uns als Wesen wahr, die Kunst, Schönheit, Liebe, Güte usw. schätzen, aber wir leben in einem Kosmos, in dem, in Übereinstimmung mit der von unserer Wissenschaft vorausgesetzten Ontologie, keines dieser Dinge existiert, ausgenommen möglicherweise als eine Täuschung — eine Täuschung in unserem Bewusstsein, das selbst keinen Platz im modernen Weltbild besitzt, kann nicht in ihm erklärt werden und daher muss es 'wegerklärt' werden.

Tarnas beginnt den Abschnitt mit der Überschrift "The Cosmological Situation Today", indem er sagt, dass "das moderne Weltbild im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts seinen größten Aufstieg und seinen unerwarteten Zusammenbruch gesehen hat ... [und] nahezu jede definierende Eigenschaft des modernen Weltbildes wurde kritisch neu bewertet und dekonstruiert, obwohl oft nicht abgeschafft, auch wenn ein Versäumnis dies tun sehr kostspielig ist."
Zuletzt sind aus dem dekonstruktiven Fluss des post-modernen Denkens zaghafte Umrisse eines neuen Realitätsverständnisses hervorgekommen, mit starken Unterschieden zur konventionellen modernen Sichtweise .... [eine] Neubewertung der epistomologischen Grenzen und pragmatischen Konsequenzen der konventionellen wissenschaftlichen Herangehensweise an Wissenserwerb ... [unter Einschluss] einer neue Auffassung der komplexen gegenseitigen Abhängigkeit und der subtilen Ordnung in lebendigen Systemen, und eine Anerkennung der Unangemessenheit der reduktionistischen, mechanistischen, und objektivierenden Konzepte der Natur.
Das Weltbild jeder Gesellschaft basiert auf ihrer Vorstellung vom Kosmos, d.h. es basiert auf einer Kosmologie. Wenn eine Gesellschaft ihr Weltbild neu bewertet, dann geschieht das auf der Grundlage ihrer Kosmologie. Daher basiert die Neubewertung des modernen wissenschaftlichen Weltbildes auf seiner Kosmologie. Diese Kosmologie ist, wie sich bei einer Untersuchung herausstellt, inkohärent und liefert ein unüberwindliches Hindernis für diese Neubewertung.

Die Kosmologie des modernen Weltbildes ist inkohärent, weil es die menschliche Welt von der Naturwelt abtrennt, obwohl (nach Meinung dieser Kosmologie selbst) die menschliche Welt voll in die Welt der Natur eingebettet ist. Eine Konsequenz davon ist "eine Form von psychologischer Aufsplitterung und Ablehung", eine Entfremdung, was nicht nur einfach ein psychologischer Zustand ist, sondern eine Form von Massenwahn.
Der Status des menschlichen Wesens in seiner kosmischen Befindlichkeit ist fundamental problematisch — einsam, zufällig, kurzlebig, unerklärlich. Die stolze Einzigartigkeit und Autonomie des "Menschen" hat einen hohen Preis. Er ist ein unbedeutender Fleck, der in einem riesigen, sinnlosen Kosmos herumdriftet, ein Fremder in einem fremden Land. Selbstreflektierendes Bewusstsein findet keine Grundlage in sich selbst. Innerer und äußerer Kosmos sind radikal diskontinuierlich, gegenseitig inkohärent. ... Mit dem umfassenden Kosmos, der in Bezug auf menschliche Bedeutung indifferent ist, mit all der Sinnhaftigkeit, die sich letztlich aus dem zufälligen, dem Zentrum entrückten, menschlichen Subjekt ableitet, kann eine bedeutungsvolle Welt niemals mehr sein als eine couragierte Projektion.
Das Versagen, diese fatale Einstellung des modernen Weltbilds abzuschaffen, hat sich als tatsächlich als sehr kostspielig herausgestellt. Tarnas schreibt:
Da der allumfassende kosmologische Kontext, in dem die ganze menschliche Aktivität plaziert ist, jede dauerhafte Grundlage für transzendente Werte elimiert hat — spirituell, moralisch, aesthetisch — hat das daraus resultierende Vakuum die reduktiven Werte des Marktes und der Massenmedien in die Lage versetzt die kollektive menschliche Imagination zu kolonalisieren und jeden Tiefgang abzuziehen. Wenn die Kosmologie entzaubert ist [was tatsächlich im modernen Weltbild so ist], erscheint die Welt logisch in einer vorwiegend utilitaristischen Weise. Und die utilitaristische Einstellung beginnt jede menschliche Motivation auf der kollektiven Stufe zu formen. Was als Mittel für größere Ziele betrachtet werden könnte, wird unweigerlich zum dominanten Impuls, der Individuen und Gesellschaften bewegt, bis diese Werte, trotz ritueller Behaupten des Gegenteils, alle anderen Aspirationen ablösen.
Tarnas sagt, dass "keine noch so große Anzahl an Revisionen in Philosophie oder Psychologie, Wissenschaft oder Religion ein neues Weltbild schmieden kann, ohne eine radikale Verschiebung auf der kosmologischen Stufe." Diese radikale Verschiebung muss mit einer kritischen Untersuchung der Annahme des modernen Bewusstseins beginnen, dass Bedeutung und Zweck des Universums allein aus dem Bewusstsein selbst ableitbar ist (da es in einer bedeutungslosen und zwecklosen Naturwelt dafür keine Grundlage gibt).
Lasst uns dann unsere [postmoderne] Strategie einer kritischen Selbstreflektion verfolgen — ein entscheidender und vielleicht unvermeidlicher Schritt nach vorn. Lasst uns diese Strategie auf die fundamental vorherrschende Annahme und den Startpunkt des modernen Weltbilds anwenden ... dass jede Bedeutung und jeder Zweck, die ein menschliches Bewusstsein im Universum wahrnimmt, intrinsisch im Universum nicht existiert, sondern konstruiert ist und auf dieses projiziert wird. Könnte dies nicht die letzte, höchst globale, anthropozentrische Illusion von allem sein?

Vielleicht ist die größere kopernikanische Revolution in einem Sinne noch unvollständig, noch in der Entfaltung. Vielleicht kann eine lang verborgene Form des anthropozentrischen Vorurteils, zunehmend destruktiv in seinen Konsequenzen, zuletzt erkannt werden, um sich so auf diese Weise für die Möglichkeit einer reicheren, komplexeren und stärker authentischen Beziehung zwischen dem menschlichen Wesens und dem Kosmos zu öffnen.

Im restlichen Teil seines Buches sucht Richard Tarnas eine "tiefere Ordnung" im Universum und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das gegenwärtig weithin anerkannte Prinzip der Synchronizität, was zuerst im Werk von C.G.Jung explizit ausgeführt wurde. Dieses Phänomen, das im moderner Sichtweise als blosse "Koinzidenz" abgewertet wird, zeigt eine darunter liegende nicht-kausale und bedeutungsvolle Verknüpfung. Er fährt weiter fort, um eine große Menge an Hinweisen zu liefern, die diese Hauptthese unterstützen, dass planetarische Ausrichtungen "mit spezifischen, archetypisch gemusterten Phänomenen in menschlichen Leben zusammenfallen, und allgemein mit Ereignissen in menschlichen Affairen und Perioden, die als innovativ, revolutionär, expansionistisch, kreativ, gezwungen, usw.charakterisiert werden können. Tarnas gibt evidente Hinweise, dass "die Welt mehr unterliegenden Einheit, Ordnung und Bedeutung besitzt, als modernes Denken angenommen hat," und dass der Kosmos "eine kohärente Verkörperung von kreativer Intelligenz, Zweck und Bedeutung ist, ausgedrückt durch eine dauerhaft komplexe Korrespondenz zwischen astronomischen Mustern und menschlicher Erfahrung". Ob man von dieser Evidenz überzeugt wird oder nicht, die Tatsache bleibt, dass uns Tarnas im Teil I seines Buches in die Lage versetzt hat, die Gründe für den Mangel an Weisheit in der modernen Welt zu verstehen, eine Welt mit dem unbehinderten Aufstieg und Triumph der indviduellen und der korporierten Habgier und dem Streben nach Kontrolle über andere, was in einem rastlosen Drang nach Domination der Welt kulminiert, in der Menschen betrachtet werden als hatten sie keinen Wert, ausgenommen als Mittel zum Zweck. Die Kosmologie, die dazu geführt hat, dass sich dies ereignen konnte, muss aufgegeben und durch eine mit mehr Wahrheit ersetzt werden, wenn die menschliche Spezies eine Zukunft haben möchte, die mit unseren tiefsten menschlichen Werten verträglich ist.

Richard Tarnas's Webseite
Physicalism: A False View of the World
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